Initiative „Obst verbindet“: Bis zu 200 Kundinnen und Kunden bestellen bei ihr jede Woche
Von Jennifer Krebs
Egestorf. Nein, mit dieser großen Resonanz habe sie nicht gerechnet, muss Jasmine Kohlert (40) zugeben. Eigentlich war sie nur auf der Suche nach günstigem Futter für ihre 15 Hühner und Meerschweinchen gewesen, als sie vor knapp eineinhalb Jahren auf die Community
„Obst verbindet“ stieß. Das junge Start-up aus Bielefeld rettet Obst und Gemüse, das sonst im Müll gelandet wäre. Anfangs fuhr Kohlert immer zu der Verteilstation von „Obst verbindet“ nach Stadthagen, um die eigene Familie, Freunde und Bekannte günstig und nachhaltig mit Obst
und Gemüse zu versorgen. Jetzt gehört sie selbst zu dem Netzwerk. Jeden Sonnabend bekommt sie Ware aus Bielefeld und verteilt die Kisten in Egestorf. Bis zu 200 Kunden bestellen bei ihr inzwischen jede Woche. Zu klein, zu krumm, zu reif „Es macht uns viel Spaß. Wenn man sieht, wie viele Lebensmittel normalerweise weggeworfen werden, dann ist das echt erschreckend“, sagt Kohlert.
Das Angebot wechselt – alles kommt vom Großhändler oder direkt von Erzeugerinnen und
Erzeugern und hat irgendein Manko, das den Weg in den Supermarkt verhindert. Zu klein, zu krumm, zu reif oder weil es schlicht überschüssig ist: Das sind häufig die Gründe, warum zu viel Obst und Gemüse nie in den Handel gelangt. Jedes Jahr landen allein in Deutschland über elf Millionen Tonnen Lebensmittel in der Tonne. Um es sich bildlich vorzustellen: Das sind 478.000 Lastwagen voll mit Ware. Wenn man diese aneinanderstellen würde, ergäbe es einen Stau von
Bielefeld bis nach mindestens New York an der Ostküste der USA. „Fühlt sich einfach gut an“
Es fühle sich einfach gut an, auch im Kleinen etwas gegen diese enormen Mengen an Lebensmittelverschwendung tun zu können, sagt Kohlert. Sie nennt Zahlen. So hätten alleine im Januar über ihre Verteilerstelle in Egestorf 3562 Kisten mit insgesamt 16 Tonnen Obst und Gemüse vor dem Müll gerettet werden können. „Das ist nur durch meine Helferinnen möglich, und
natürlich durch unsere Kunden. Danke dafür“, sagt Kohlert. Angefangen hatte sie vor gut
einem Jahr in ihrer Garage und im eigenen Carport. Doch recht schnell wurde es dort
zu eng. Kohlert hatte Glück und konnte das ehemalige Gartenfachgeschäft von Werner
Bolze an der Wennigser Straße 38 anmieten. Dort können jetzt die bestellten Kisten immer
sonnabends abgeholt werden. Kohlert hat inzwischen ein Kleingewerbe für ihre Verteilstation
angemeldet. 11 Prozent pro verkaufter Kiste bekommt sie. Jeden Sonnabend, wenn der Lastwagen
aus Bielefeld wieder palettenweise Obst und Gemüse bringt, steht ihre Truppe ab morgens im Laden, um abzuladen, zu sortieren und alles durchzugucken, ehe die Kundinnen und Kunden kommen. „Jede Kiste wird von uns kontrolliert, bevor sie rausgeht“, sagt Kohlert. Im Juli soll das eineinhalbjährige Bestehen der Verteilstelle in Egestorf gefeiert werden. Kohlert ist stolz auf das, was sich gemeinsam erreichen lässt. Als Dankeschön für ihre Kunden hat sie jetzt zu Ostern Rubbellose in die Retterkisten mit reingetan. Zu Weihnachten gab es Gutscheine. 800 Euro Trinkgeld wurden vergangenes Jahr an den Fuchsbau in Barsinghausen gespendet, die
Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche mit ihren Familien, die um einen Verstorbenen trauern. Das
Trinkgeld aus diesem Jahr soll an den Wünschewagen des ASB gehen.
„Obst verbindet“: Die Verteilstelle in Egestorf gibt es jetzt seit gut einem Jahr – und die Nachfrage wächst von Woche zu Woche.
So können Sie gerettete Lebensmittel bestellen
Das Prinzip ist einfach:
Wer Lebensmittel vor der Tonne retten und bei Jasmine Kohlert bestellen möchte, schreibt eine E-Mail an jasminesobstgarage@gmail.com, um in die Whatsapp-Gruppe aufgenommen zu werden. Über den Broadcast verschickt sie jede Woche die neuen Bestelllisten, nimmt Wünsche auf und beantwortet Nachfragen. Im Angebot: Familienkisten, Singlekisten, Kita-Kisten, Juniorkisten und Futterkisten zum Preis von 5 bis 17 Euro. Der Inhalt variiert nach Vielfalt, Verfügbarkeit und Saison. Zum Warensortiment gehören neben Obst und Gemüse auch Getränke, Süßigkeiten, Drogerieartikel und Pflanzen. Gespart werden kann in der Regel ein Drittel bis die Hälfte des Normalpreises. Etwa 600 Kundinnen und Kunden hat Kohlert inzwischen in ihrem Verteiler.
Einmal in der Woche können die Retter-Bestellungen abgeholt werden, jeden Sonnabend ist die Verteilstation an der Wennigser Straße 38 in Egestorf geöffnet. jbö
© Quelle: Jennifer Krebs